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Oft bewegen wir uns in einer Blase. Wir umgeben uns mit den Dingen und Themen, die uns bewegen. Wir konsumieren die Nachrichten und Informationen, die uns betreffen oder von denen wir uns wünschen, dass sie uns betreffen. Und das, was wir sehen, hören und lesen wollen, das wird zu unserer Realität.
Die «Bubble»
Genau das passiert auch, wenn du dich viel mit Trailrunning und Ultrarunning auseinandersetzt. Es fühlt sich für dich dann so an, als sei es das normalste der Welt, sehr lange Strecken (in den Bergen oder im Flachland) zurückzulegen. Dass das nicht so ist, merkst du spätestens dann, wenn du mit Menschen ausserhalb deiner Trailrunning-Blase sprichst.
Für jemanden, der oder die nicht regelmässig in Kontakt mit diesem Sport steht, klingt es oft unglaublich, dass es Wettkämpfe im Ultrarunning gibt und sehr oft fällt in diesen Gesprächen das Wort «Extremsport».
Was ist eigentlich ein Extremsport?
Unter Extremsport versteht man in erster Linie einmal das Herangehen an äusserste sportliche grenzen. Im Lexikon wird Extremsport wie folgt definiert:
«Ein Extremsport ist das Ausüben außergewöhnlicher, zum Teil risikoreicher sportlicher Disziplinen, bei denen der Betreffende höchsten physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt ist.» (Brockhaus)
Zum Begriff «risikoreich» kommen wir gleich nochmal. Ausschlaggebend scheint mir auf den ersten Blick die hohe physische und psychische Belastung zu sein. Wann genau ein Sport anfängt, eine besonders hohe physische oder psychische Belastung zu werden, das ist allerdings nicht klar definiert. Die Übergänge vom «normalen» Sport zum Extremsport sind also fliessend.
Zwei Beispiele dafür: Ein*e olympische*r Turmspringer*in hat eine extrem hohe psychsiche Belastung. Ein*e Skiabfahrer*in ist einer sehr starken körperlichen Belastung ausgesetzt, gleichzeitig erfordert der Sport eine enormes Mass an Konzentration. Sind dieses beiden Sportarten dann bereits das, was man landläufig als Extremsport bezeichnet? Ich bin der Meinung: die Definition für einen Extremsport lässt sich nicht einfach auf bestimmte Merkmale herunter brechen.
Ultradistanzen im Laufsport
Ultramarathon wird, neben vielen anderen Ausdauersportarten mit besonders langen Belastungsphasen, also zum Beispiel Langstreckenradrennen, Langstreckenschwimmen usw., unter den Extremsportarten geführt. Die meisten denken allerdings beim Thema Extremsport vermutlich zuerst an etwas anderes. Nämlich an eine Unterform des Extremsports die sogenannten Risikosportarten. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden diese beiden Kategorien oft synonym verwendet, ganz korrekt ist das aber nicht. Unter einem Risikosport versteht man Sportarten, bei denen das Unfallrisiko sehr stark erhöht ist oder sich nicht auf ein bestimmtes Mass reduzieren lässt.
Klar ist auch das Unfallrisiko bei einem Ultramarathon höher als bei einem 10km-Lauf und das ganz unabhängig vom Terrain, einfach weil du viel länger unterwegs bist. Allerdings ist das Risiko bei Sportarten wie Basejumping, Speedflying, Downhill-Biken oder Apnoetauchen vermutlich nochmal deutlich erhöhter gegenüber dem Ultrarunning.
Auf einem Ultramarathon hast du immer die Chance, dein Tempo selbst zu bestimmen. An anspruchsvollen oder gefährlichen Passagen kannst du das Tempo reduzieren, du kannst jeden Schritt den du machst, selbst kontrollieren. Beim Basejumpen (ok, ich habe das noch nicht gemacht, aber ich vermute es ist so), kannst du nur begrenzt kontrollieren, was passiert. Einmal gesprungen ist gesprungen. Und dann bist du viel abhängiger von äusseren Faktoren, auf die du eben keinen Einfluss mehr hast.
Ich finde es darum auf jeden Fall wichtig und richtig zwischen Extrem- und Risikosportarten zu differenzieren. Ultrarunning fällt in den Bereich Extremsport, aber sicher nicht unter die Risikosportarten. Ausserdem steckt ja hinter jedem Versuch einen Ultramarathon zu laufen – egal ob er beendet wird oder nicht – eine lange und intensive Vorbereitungsphase. In dieser Vorbereitung wird in der Regel nicht einfach «nur» gelaufen, sondern wir bereiten uns auch psychisch auf die Belastung vor. Wir machen uns Gedanken über unsere Ernährung, unsere Ausrüstung und natürlich auch viel über die Gesundheit und damit verbunden auch über potentielle Gefahren, die mit dem Laufen einhergehen.
Risiken im Ultrarunning
Vermutlich sind die Risiken bei einem Ultramarathon zwar erhöht, aber von ihrer Art her nur bedingt anders, als bei einem Marathonlauf. Die ersten Gefahren, die mir persönlich einfallen sind natürlich Verletzungen unterwegs. Zerrungen, Muskelfaserrisse, Stürze und dadurch Platzwunden, Prellungen, Verstauchungen, Knochenbrüche usw.
Das sind Verletzungen, die dir auch unabhängig vom Laufsport passieren können. Das Risiko für diese Verletzungen ist dennoch schon alleine durch die Anzahl der Kilometer, die du im Training und im tatsächlichen Lauf zurücklegst und natürlich durch das anspruchsvollere Terrain leicht erhöht.
Weitere gesundheitliche Risiken sind zum Beispiel Hitzeschlag oder Erfrierungen, Dehydrierung, Unterversorgung mit Nährstoffen usw. Auch dies sind alles Faktoren, die beim Ultrarunning im Vergleich zum «normalen» Laufen erhöht sind, denen du aber mit guter Vorbereitung und durch einige äussere von dir beeinflussbare Faktoren, wie deine Ausrüstung und deine Verpflegung, entgegenwirken kannst.
Es gibt sicher noch viel mehr Risiken, das hier ist keine abgeschlossene Liste, aber grundsätzlich ist es so, dass ich behaupten würde – und das ist in diesem Fall nochmal ausdrücklich meine persönliche Meinung! – dass sich die Risiken des Ultrarunnings im Verhältnis zu anderen Extrem- oder Risikosportarten noch in vertretbaren Grenzen halten.
Ich glaube, sich dieser Risiken bewusst zu sein und zu lernen mit ihnen umzugehen, dass gehört dazu, wenn man einen Extremsport betreiben möchte.
Ausserdem finde ich es wichtig, zu lernen, welche Risiken man eingehen kann und möchte und welche eben nicht. Dazu gehört es auch mit bestimmten Entscheidungen leben zu lernen. Es geht dann natürlich nicht darum, ein möglichst leichtsinniges Verhalten an den Tag zu legen oder möglichst viel Risiko einzugehen, sondern darum, Situationen und sich selbst richtig einzuschätzen, danach zu handeln und das Handeln dann positiv für sich zu bewerten.
Die eigenen Fähigkeiten stärken
Wer Ultradistanzen läuft, will vermutlich irgendwie raus aus der eigenen Komfortzone und die eigenen Grenzen verschieben. In einem der drei Filme, die wir in Podcastfolge 51 besprochen haben, fiel ein Satz, der lautet ungefähr so: «Wir modernen Menschen müssen nicht mehr leiden.» und genau das passiert ja, wenn wir unsere Grenzen ausloten und wenn wir Extrem-Erfahrungen im Sport erleben. Diese Motivation, sich aus der Komfortzone raus zu bewegen und etwas zu erleben, was sonst nicht so passiert, das ist ein ganz grosser Beweggrund fürs Ultrarunning, aber vermutlich auch in anderen Extremsportarten.
Wer Extremsport bewusst ausführt, stärkt auch die eigenen Fähigkeiten ausserhalb des Sports. Ultrarunning fördert ganz allgemein die Widerstandsfähigkeit und die eigene Willenskraft. Es macht dich selbstsicherer, hilft dir, dich besser selbst einzuschätzen und zwar psychisch und physisch.
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